museum-digitalsachsen-anhalt
STRG + Y
de
GLEIMHAUS Museum der deutschen Aufklärung Handschriftensammlung [Hs. A 1957 (Kleist 199)]
14 Brief Ewald Christians von Kleist an Gleim, 9.12.1757, (Gleimhaus Halberstadt CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Gleimhaus Halberstadt (CC BY-NC-SA)
1 / 4 Vorheriges<- Nächstes->

Brief von Ewald Christian von Kleist an Gleim, 9.12.1757

Kontakt Zitieren Datenblatt (PDF) Entfernung berechnen Archivversionen Zum Vergleich vormerken Graphenansicht

Beschreibung

Zu der Zeit dieses Briefes haben Kleist und Lessing, die sich damals beide in Leipzig aufhielten, sehr eng zusammengewirkt. Beide waren voll des Lobes gerade für das Roßbach-Lied. Beide sprachen Verbesserungsvorschläge für die Dichtung aus, beteiligten sich also, wie auch Ramler in Berlin, an deren Redaktion. Beide sorgten für den Druck und somit für die Verbreitung der Dichtungen - durch Separatdrucke, in Zeitschriften und schließlich mit dem Gedichtband.

Allerliebster Gleim
Ich habe Ihnen heute Morgen geschrieben und sie von unserm wahren und großen Siege benachrichtiget; ich wusste aber noch nicht, daß Herr Lessing gestern Abend ein Schreiben von Ihnen nebst Ihrem unvergleichlichen Schlachtgesange [Roßbach] erhalten, und habe Ihnen also davon noch nichts gesagt. Jetzt habe ich ihn gelesen und mich halbtodt gefreut und mich halbtodt gelacht; ich muß Ihnen also vor das große Vergnügen danken, das Sie mir gemacht. Er ist so erhaben, so naiv und hie und da so burlesque, wie ich gar nicht weiß. Die Kupferstiche vom Hogarth zum "Hudibras" sind nicht so burlesque als Ihre Gemälde der Franzosen und Reichstruppen. Wenn Sie gar nichts als dieses Stück gemacht hätten, so wären Sie ein unsterblicher Mann. Einige Stellen, z. E. der Donner der Kugeln, das zweideutige ‚Prinz Heinrich, er lief’ ec., das Morgenbrod, das sie kochten’ ec. müssen Sie ändern und denn es hurtig drucken lassen und es mir schicken, damit ich es der Armée austheilen kann. Man soll schon erfahren, wer der Grenadier ist, der es gesungen hat. Ich habe Sie doch einmal recht angeführt, mein Liebster; denn ich sehe aus Lessing’s Briefe, daß Sie wegen der ‚Gärtner-Idylle‘ nicht gewiß sind. Ich glaubte, daß Sie mich gleich kennen würden, und wenn Sie mich sollten erkannt und sich verstellt haben, so bin ich vor meine Vanité recht bestraft worden. Ehestens werde ich Ihnen noch eine dergleichen schicken, die ich schon im Kopfe, aber noch nicht fertig habe, weil mich eine andere Arbeit daran hindert. Diese andere Arbeit sollten Sie wol in Ewigkeit nicht rathen, und damit wollte ich Sie noch ehe angeführt haben, wenn Eins nicht wäre. Was meinen Sie? Ich mache wirklich einen "Seneca", an den ich noch nicht in Ernst gedacht hatte, als Lessing die Ode machte. Mit 2 Acten bin ich fertig; aber nun im 3ten und letzten stockt es. Ich hielte es sehr leicht, besonders in Prosa, wie ich es mache; allein es ist eine verdammte Arbeit. Das Rössel reiten wir nicht mehr! Ich zweifele nun, daß ich damit zu Ende komme; daher schreibe ich es Ihnen, sonst hätte ich Sie damit überraschen wollen. Wenn ich es auch zu Stande bringe, so wird es nicht viel nütze werden. Aber sagen Sie davon doch noch Niemand was! Es könnte sein, daß es noch leidlich geriethe, und denn möchte ich doch gerne Sulzern und Ramlern und die Kritiker betrügen. Hätte ich ein Wenig mehr Zeit gehabt, so sollte es wol etwas besser geworden sein; allein ich bin wahrhaftig ein Sclave. Den ganzen Tag habe ich oft keine Viertheil-Stunde Ruhe, und denn [bin ich] gleich bei meine liebe Poesie. Ich habe nicht allein das Lazareth nebst hundert Rechnungen und Correspondenzen, sondern auch überdem die Gefangenen, die Einquartierung unserer Armée und der Franzosen und Reichstruppen und meine Regiments- und Companie- Dienste zu versehen. Die Franzosen besonders machen mir erstaunlich viel Aergerniß und Arbeit. Der Prinz Heinrich hat mir die Besorgung der Gefangenen übergeben, und er marquirt mir mehr Vertrauen und erzeigt mir mehr Gnade, als ich gewohnt bin. Er schickt Alles, was vorfällt, an mich, und der Commandant und Alles ist auf mich armen Teufel jaloux, da ich ihnen doch Alles gern überließe. Schlafen Sie wohl, mein Engel! Mich schläfert auch schon; ich habe heute des Tages Last getragen, aber auch von Herzen über Ihr Lied gelacht.
Kleist
Textgestalt nach Kleist, Ewald Christian von: Ewald von Kleist‘s Werke. Hg. v. August Sauer, Berlin [1883], Bd. 2, S. 461 ff.

Material/Technik

Handschrift auf Papier

Maße

2 Bl. 4°

Literatur

  • Lacher, Reimar F. (2017): "Friedrich, unser Held" - Gleim und sein König. Göttingen, S. 57 f
  • Sauer, August (1883): Ewald von Kleist‘s Werke. Berlin
Karte
GLEIMHAUS  Museum der deutschen Aufklärung

Objekt aus: GLEIMHAUS Museum der deutschen Aufklärung

Das Gleimhaus ist eines der ältesten deutschen Literaturmuseen, eingerichtet im Jahr 1862 im ehemaligen Wohnhaus des Dichters und Sammlers Johann...

Das Museum kontaktieren

[Stand der Information: ]

Hinweise zur Nutzung und zum Zitieren

Die Text-Informationen dieser Seite sind für die nicht-kommerzielle Nutzung bei Angabe der Quelle frei verfügbar (Creative Commons Lizenz 3.0, by-nc-sa) Als Quellenangabe nennen Sie bitte neben der Internet-Adresse unbedingt auch den Namen des Museums und den Namen der Textautorin bzw. des Textautors, soweit diese ausdrücklich angegeben sind. Die Rechte für die Abbildungen des Objektes werden unterhalb der großen Ansichten (die über ein Anklicken der kleineren Ansichten erreichbar werden) angezeigt. Sofern dort nichts anderes angegeben ist, gilt für die Nutzung das gerade Gesagte. Auch bei der Verwendung der Bild-Informationen sind unbedingt der Name des Museums und der Name des Fotografen bzw. der Fotografin zu nennen.
Jede Form der kommerziellen Nutzung von Text- oder Bildinformationen bedarf der Rücksprache mit dem Museum.