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GLEIMHAUS Museum der deutschen Aufklärung Handschriftensammlung [Hs. A 6422 (Gl./Wieland 2)]
Gleim, J.W.L. an Wieland, Christoph Martin, 30. Juli bis 9. August 1770 (Gleimhaus Halberstadt CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Gleimhaus Halberstadt (CC BY-NC-SA)
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Brief Gleims an Christoph Martin Wieland, 30. Juli bis 9. August 1770

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Beschreibung

Halberstadt den 30ten Jul., 31. Juli und 9. August 1770
[...] Warum ist ihr König, den sie (unter uns gesagt) ein wenig mehr lieben, als er von deutschen Dichtern geliebet zu seyn verdienet, nicht Musaget genug, einem Poeten, der, am Ende doch wohl immer so gut ist, als ein Französischer, ein Canonicat zu Halberstadt gratis zu geben? Diese Frage, Vortreflicher Wieland möcht‘ ich in einem eigenen Briefe beantworten. Musaget ist er genug; was aber waren unsere Deutschen, als er anfieng mit den Musen Bekantschaft zu machen? Kayserling und Stille waren 1740 seine Freunde, beyde gute Deutsche Patrioten, die sich alle Mühe gaben, für die deutschen Musen ihn einzu nehmen, was aber hatten sie den Frantzösischen entgegen zu setzen? den einzigen Canitz denn Opitz war zu Alt, Haller zu rauh, Hagedorn hatte nur erst seine Trincklieder heraus gegeben - Über dem war der König von deutschen Frantzosen umgeben, alle geschworne Feinde der Deutschen Musen, diese gaben ihm geflißentlich Zieglers Briefe, für das Meisterstück der Deutschen Musen, wenn hernach ein Patriot es wagete, der Deutschen Muse, das Wort zu reden, dann Declamirete der König, aus der Banise: Blitz, Donner und Hagel, als die rächenden Werckzeuge etc der Patriot, wie von dem Blitz gerühret, schwieg, er schwieg, mein lieber Wieland, und wagte selbst in einem Sultzer, der die schönste Gelegenheit hatte, nicht wieder, der Deutschen Muse das Wort zu reden. So ließen Tausend Umstände sich anführen, die den König, (den Wieland lieben würde, wie Gleim, wenn er wie Gleim ihn kennete) wegen seiner gleichgültigkeit gegen die Deutschen Musen wo nicht rechtfertigen, doch entschuldigen. Hätte zu meiner Zeit, als ich in Potsdam war, schon ein Wieland geschrieben, so hätt‘ ich selbst mich unterstanden, für sie den, von Franzosen um gebenen König mir zu nehmen. Immer gieng ich damit um, aber ich verließ Potsdam zu früh, und weder Kleist, noch sonst einer von meinen Freunden war auf geleget, in diesem patriotischen Unternehmen irgend etwas zu versuchen. Und es wäre, recht angefangen, so leicht gewesen, den König zu überzeugen, daß nur allein in der Sprache seines Volckes die Ausbreitung der Wißenschaften statt finden könne. Zu verläßig fehlt‘ es ihm nicht an dem besten Willen, und mehr war dazu nicht nöthig.

den 9ten August 1770
Als mein Wieland, so bescheiden, würdigern Dichtern der Nachwelt, den Cyrus unserer Zeit überließ, damahlen dünckt mich, war mein Friederich ihm noch, der beste der Menschen, und der König. Warum doch scheint ers ihm itzt nicht mehr zu seyn? Haben gewiße Lästerer so gar einen Wieland auf ihre Seite gebracht? Quid est, Cotulla, quod moraris emori?
Gern möcht’ ich, wie Wieland für Alexander, so für Friederich eine Schutzschrift auf setzen! Den Inhalt hätt‘ ich; es fehlt mir nur an Zeit, und, an meines Wielandes Feder, die, mit welcher er
den Menschen mahlet, wie er ist.
Sie sehen, mein theurester Freund ich war einmahl recht in dem Zug, mit meinem Wieland zu schwatzen, etliche mahl aber must ich abbrechen, wolt‘ ich noch ein mahl, so käme der Brief wieder nicht fort.
Wie aber, mein bester, gehet es zu, daß sie die Antwort auf mein Schreiben, das dem ihrigen begegnete, mir so lange schuldig bleiben? - Der Sommer geht hin! täglich wurde von mir auf die Post geschickt, ob vielleicht Marschbefehl gekommen wäre, Lieber, mein allerliebster wär‘ es mir, wenn sie sich entschloßen hätten, zu mir zu kommen. Sie sagen in einem ihrer vorigen Briefe, Wir müsten, das Vergnügen uns zu sehen, durch warten verdienen. Nun dächt‘ ich hätten wir genug gewartet! Weiße und Clodius sind stoltz darauf, meinen Wieland persönlich zu kennen! Wär´ ich nicht ein kräncklicher Mensch, der vor jedem Lüftchen sich fürchtet, ich wäre längst, nach dem ersten Leipziger Briefe zu ihnen geflogen. Nun ist es wieder keine Zeit, die Gedichtchen, zu welchen meines Wielandes Grazien mich begeisterten auf zu suchen und abzu schreiben.
Leben sie wohl, theurester bester Freund, Sie werden von keinem Mann, und einem Weibe geliebt, wie,
von / Ihrem Gleim

Textgestalt nach: Wielands Briefwechsel. Hg. v. d. Akademie der Wissenschaften der DDR durch Hans Werner Seiffert. Bd. 4, Berlin 1979, S. 178-181

Material/Technik

Handschrift auf Papier, Abschrift

Literatur

  • Hsg. Akademie der Wissenschaften der DDR durch Hans Werner Seiffert (1979): Wielands Briefwechsel. Berlin
GLEIMHAUS  Museum der deutschen Aufklärung

Objekt aus: GLEIMHAUS Museum der deutschen Aufklärung

Das Gleimhaus ist eines der ältesten deutschen Literaturmuseen, eingerichtet im Jahr 1862 im ehemaligen Wohnhaus des Dichters und Sammlers Johann...

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