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Kulturstiftung Sachsen-Anhalt - Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) Grafische Sammlung Flugblattsammlung 16.-19. Jahrhundert Dreißigjähriger Krieg 1618-1648 [MOIIF00078]
Groß Europisch Kriegs=Balet/ getantzet durch die Könige und Potentaten/ Fürsten und Respublicken/ auff dem Saal der betrübten Christenheit. (Kulturstiftung Sachsen-Anhalt Public Domain Mark)
Herkunft/Rechte: Kulturstiftung Sachsen-Anhalt / Kulturstiftung Sachsen-Anhalt (Public Domain Mark)
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Groß Europisch Kriegs=Balet/ getantzet durch die Könige und Potentaten/ Fürsten und Respublicken/ auff dem Saal der betrübten Christenheit.

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Beschreibung

Flugblatt aus den 1640ern mit Kritik an den kriegsführenden Parteien des Dreißigjährigen Krieges

4 Spalten, 34 Reimpaarstrophen

Das "Große europäische Kriegsballett" zeigt die am Dreißigjährigen Krieg beteiligten Akteure bei einem Tanz "auf dem Saal der betrübten Christenheit". Das Flugblatt verbindet die aktuelle europäische Mächtekonstellation um das Jahr 1644 mit der Darstellung des Tanzes, der im 17. Jahrhundert elementarer Bestandteil des höfischen Zeremoniells war. Während im Zentrum der Grafik in zwei gegenüberstehenden Reihen getanzt wird, sitzen oder stehen als Zuschauer weitere Personen am Rande des Parketts. Über der Tanzfläche schweben der "Engel mit dem Schwerd" (Z) und Eris (AA), die Personifikation der Zwietracht und des Streites, in der Legende als "Neyd" bezeichnet. Sie ist mit Fledermausflügeln und einem Gorgonenhaupt widergegeben und lässt zahlreiche Äpfel - Zankäpfel - zwischen die Tanzenden fallen. Auf der rechten Seite bewegen sich der minderjährige König Ludwig XIV. von Frankreich (A) mit seinen Allierten Johann IV., dem König von Portugal (B), Friedrich Heinrich von Oranien und der Niederlande (C), sowie dem schwedischen General Torstenson (D), auf den Lorbeerzweige zu Ehren seiner erfolgreichen Schlachten herabfallen. Der schwedische König Gustav II. Adolf liegt tot vor ihnen unter einem Teppich begraben. Den Protestanten gegenüber tanzen der Habsburger Kaiser Ferdinand III. (F) mit seinen Verbündeten Philipp IV., König von Kastilien (Spanien, E), Maximilian I., Kurfürst von Bayern (H) und der dänische König Christian IV. (G). Auch ist erkennbar, wie viel Geld die einzelnen Verbündeten für diesen Krieg ausgeben oder noch besitzen. In der Hand des Königs von Kastilien ist es nur ein Geldbeutel, aus dem ein paar Münzen fallen, während der junge französische König Ludwig XIV. immerhin drei Geldbörsen mit entsprechend fallenden Talern in seiner Hand hält.
Während der Fürst von Siebenbürgen, Georg I. Rákóczi , mit dem türkischen Sultan Ibrahim auf der rechten Seite das Treiben beobachtet, wie auch die italienischen Fürsten auf der linken Seite sich einer Unterhaltung widmen, tanzen die Repräsentanten der schweizerischen Kantone mit dem Rücken zum Betrachter "an beyden Seyten". Neben ihnen bückt sich der Kurfürst von Sachsen, Johann Georg I., nach den Äpfeln. Musikalisch wird der Tanz von dem dirigierenden Papst Urban VIII. (T) und seinen aufspielenden Kardinälen begleitet. Spöttisch heißt es in dem zugehörigen Vers "Wer uns nur am meist kann schmieren / Dem zu nutz wir musiciren / Denn nach krafft deß besten Gelt / Wird uns Spielwerck angestellt." Auch die Position von Urban VIII. wird in Versen beschrieben: "Wenn ich seh’ ders best tanzt nur / Nach dem stell’ ich die Mensur". Die Mensur meint ursprünglich im Musikinstrumentenbau die Festlegung auf eine bestimmte Klangcharakteristik des Instruments. Hier ist wohl aber gemeint, dass der Papst seine Positionen taktisch ändert. Zugleich ist damit auf die eigentliche Ursache des Krieges, die konfessionellen Gegensätze, angespielt. Durch eine Tür betritt der Kurfürst von Brandenburg Friedrich Wilhelm den Saal, neben ihm schwingt der Herzog von Lothringen - das Herzogtum ist 1643/44 erneut von Frankreich besetzt - die Kriegsfackel über den Vertretern der Reichsstädte Mainz, Köln und Trier. Eine kleine Nebenszene eröffnet sich links im Hintergrund, in der ein Tanz zwischen dem König von England und Oliver Cromwell stattfindet. Sie verweist auf den englischen Bürgerkrieg, dessen Ursache nicht nur in den Spannungen zwischen dem absolutistischen König und dem Unterhaus liegt, sondern auch in den gegensätzlichen religiösen Vorstellungen der Anglikaner, Puritaner und Katholiken.
Die letzten Verse aber geben dem Flugblatt die eigentliche Bedeutung. In ihnen kommt der Strafengel zu Wort, der den Fürsten rät, mit dem Krieg zu enden, sonst "Bring ich Hunger/Pest und Schwerd". Da das europäische Volk kriegsmüde geworden ist, wird der Wunsch nach Frieden und die Bitte "Jeder sey mit dem vergnügt / Was ihm Gott hat zugefügt", formuliert.

Material/Technik

Kupferstich; Typendruck

Maße

Blattmaß: 377 x 272 mm; Bildgröße: 179 x 263 mm

Literatur

  • Bauer-Friedrich, Thomas (2014): Im Land der Palme. August von Sachsen, Erzbischof von Magdeburg und Fürst in Halle, 1614–1680 : Gesamtausgabe. Halle (Saale): Mitteldeutscher Verlag, Katalog Nr. II 50
  • Drugulin, Wilhelm Eduard (1867): W. Drugulins historischer Bilderatlas. Verzeichniss einer Sammlung von Einzelblättern zur Cultur- und Staatengeschichte vom 15.-19. Jahrhundert, II. Theil, Chronik in Flugblättern. Leipzig, Katalog Nr. 2195
  • Harms, Wolfgang (1983): Illustrierte Flugblätter aus den Jahrhunderten der Reformation und der Glaubenskämpfe. Coburg, S. 206 f., Kat.-Nr. 100
  • Hämmerle, Tobias E. (2019): Flugblatt-Propaganda zu Gustav Adolf von Schweden. Eine Auswertung zeitgenössischer Flugblätter der Königlichen Bibliothek zu Stockholm. Marburg, S. 480f.
  • Lahrkamp, Helmut (1997): Dreißigjähriger Krieg, Westfälischer Frieden. Eine Darstellung der Jahre 1618 - 1648 mit 326 Bildern und Dokumenten. Münster, S. 179
  • Paas, John Roger (2002): The German political broadsheet 1600 - 1700. 1633 - 1648 (Vol. 7). Wiesbaden, S. 307, Kat.-Nr. P-2175
  • Puhle, Matthias (1998): "... gantz verheeret!" Magdeburg und der Dreißigjährige Krieg. Magdeburg, Katalog Nr. 338
  • Schilling, Michael u.a. (2018): Deutsche illustrierte Flugblätter des 16. und 17. Jahrhunderts. Band IX: Die Sammlung des Kunstmuseums Moritzburg in Halle a. S. Berlin/Boston, Katalog Nr. IX, 182
  • Westphal, Jörn Robert (2008): Die Darstellung von Unrecht in Flugblättern der Frühen Neuzeit. Mönchengladbach, S. 128
  • Wäscher, Hermann (1955): Das deutsche illustrierte Flugblatt. Von den Anfängen bis zu den Befreiungskriegen, Bd. 1. Dresden, S. 14, Kat.-Nr. 48
Kulturstiftung Sachsen-Anhalt - Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale)

Objekt aus: Kulturstiftung Sachsen-Anhalt - Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale)

Seit 1904 ist in der Moritzburg das hallesche Kunstmuseum untergebracht, zunächst nur mit seinen kunsthandwerklichen Beständen, ab 1921 auch mit der...

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