museum-digitalsachsen-anhalt
STRG + Y
de
Kulturstiftung Sachsen-Anhalt - Domschatz und Dom St. Stephanus und St. Sixtus zu Halberstadt Gemälde und Skulpturen [DS391]
Triptychon der Madonna del Popolo (Kulturstiftung Sachsen-Anhalt - Domschatz und Dom St. Stephanus und St. Sixtus zu Halberstadt CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Kulturstiftung Sachsen-Anhalt - Domschatz und Dom St. Stephanus und St. Sixtus zu Halberstadt / Falk Wenzel, Halle (Saale) (CC BY-NC-SA)
1 / 2 Vorheriges<- Nächstes->

Triptychon der Madonna del Popolo

Kontakt Zitieren Datenblatt (PDF) Entfernung berechnen Archivversionen Zum Vergleich vormerken Graphenansicht

Beschreibung

Kleiner Flügelaltar aus Holz in Brett- (Mittelstück) und Rahmenbauweise (Flügel). Die Flächen füllen Bilddarstellungen, die rot gefasste Rahmen mit schablonierten schwarzen Dekormotiven umziehen.
Im geschlossenen Zustand zeigt das Retabel unter einem über beide Flügel sich spannenden Steinbogen und über einem Steinsockel mit Arabeskenranken links Anna Selbdritt und rechts den Hl. Andreas. In der Gruppe der Anna Selbdritt hält Anna Maria und das nackte, segnende Christuskind auf ihren Armen. Jesus trägt eine rote Perlenkette um den Hals in Anspielung auf sein Martyrium und einen goldenen Reichsapfel in seiner Rechten, auf seine Macht als Weltenherrscher referierend. Maria ist trotz ihrer jugendlichen Darstellung mit der Krone der Himmelskönigin geschmückt. Dabei blicken Maria und Jesus gemeinsam in ein von Maria aufgeschlagenes Buch. Rechts wendet sich der Hl. Andreas der Szene zu. Er stützt in seiner Rechten sein Symbol des Martyriums, das Andreaskreuz, in seiner Linken liegt ebenfalls ein leicht aufgeschlagenes Buch.
Der geöffnete Zustand vermittelt blendende Pracht im groß formatierten Mittelbild mit der Halbfigur der Madonna vor Goldgrund und deutlich kleinere ganzfigurige Heiligendarstellungen in den Seitenflügeln.
Das Mittelbild dominiert die Darstellung Mariens mit dem – nun bekleideten – Christuskind. Maria hält das Kleinkind mit ihrem linken Arm unterfangen und zieht die Rechte an die Brust. Ihren dunkelblauen Mantel sowie ihr hellbaues Untergewand besetzen kostbare goldenen Borten, am Oberarm hängt von einer Borte eine goldene Fransenleiste, und ihre rechte Schulter schmückt ein goldener Stern. Christus trägt hingegen über einem weißen, im Ausschnitt geknoteten Hemd eine hellgrüne, gegürtete Tunika und ein rotes Manteltuch, dessen Falten golden gehöht sind.
Links und rechts davon präsentieren die Innenflügel Petrus mit einem großen Schlüssel und Paulus mit Schwert und geschlossenem Buch. Beide stehen auf dem gleichen Sockel wie Anna und Andreas, werden aber von einer Steinmauer hinterfangen. Über ihnen zieren goldene Blattranken den neutralen grünblauen Himmel.
Schon in Aufwand und Kostbarkeit unterscheiden sich das Mittelbild die Flügelfiguren deutlich. Diese Unterschiede setzen sich in der sehr verschiedenen Maltechnik und Figurenauffassung fort. Denn die Flügelfiguren wurden mit Öl auf Holz aufgetragen. Sie haben lebendige, pausbackige Gesichter mit klaren Altersmerkmalen, die Haare sind durch einzelne Pinselstriche strähnig wiedergegeben, die Falten der Gewänder mit Licht und Schatten moduliert. Die derb aufgefassten Körper vermitteln Räumlichkeit. Dabei folgen die Darstellungen Figurentypen mitteldeutscher Malerei und Graphik, wie sie sich namentlich in der Holzschnittfolge mit Christus, den zwölf Aposteln und Paulus von Lucas Cranach (um 1512) wiederfinden.
Hingegen wurde das Mittelbild als Tüchleinmalerei in Temperafarben auf ein feines Leinen gemalt und auf den Holzgrund des Retabels aufgebracht. Die Temperafarben sind fast lasierend dünn, aber flächig aufgetragen, die Falten als Striche in Gold gezeichnet. Die Gesichtsdarstellungen fallen weich und ebenfalls flächig aus, die Haare des Christuskindes als Farbfläche mit leichten Verdunkelungen.
Diese flächig-statisch wirkende Gestaltungsweise geht auf das Vorbild zurück, dem die Mariendarstellung folgt, dem Gnadenbild der Madonna del Popolo in Rom, einem byzantinischen Tafelgemälde, das der Legende nach der Evangelist Lukas als Bildnis von Maria mit dem Christuskind geschaffen hatte, weshalb es als authentisches Zeugnis vom Aussehen Mariens und Jesu galt und Verehrung erfuhr. Das Halberstädter Gemälde ist als Kopie anzusehen.
Gerade Ende des 15. Jahrhunderts entstanden zahlreiche Kopien nach dem römischen Vorbild, als Papst Sixtus IV. ein Gebet zu Ehren der Madonna del Popolo mit hohen Ablässen bedachte; dies bezeugt ein Holzschnitt Michael Schorpps von 1496 inschriftlich. Diese Kopien wiederholten mehr oder weniger exakt das byzantinische Vorbild. Dabei entstanden in den verschiedenen Regionen jeweils eigene zusammenhängende Varianten. Das Halberstädter Exemplar zitiert eine Kopienvariante, wie sie auch auf einem Altarbild von Hans Raphon (Altar aus Kloster Teistungenburg, Kreis Worbis, heute Niedersächsisches Landesmuseum Hannover) wiederkehrt und von Peter Strieder in den mitteldeutschen Raum lokalisiert wurde. Allerdings folgt das Halberstädter Beispiel unmittelbarer seinem byzantinische Original als die vergleichbaren mitteldeutschen Kopien, die durchaus die eigene Körperdarstellung auf die Figuren des Gnadenbildes übertrugen.
Zwar hatte somit das byzantinische Vorbild in Rom Einfluss auf die Gestaltung der Halberstädter Madonna del Popolo, woraus sich innerhalb des Retabels Unterschiede zwischen dem Mittelbild und den Flügeln erklären lassen. Dennoch sind die malerischen und technischen Unterschiede so gravierend, dass man die Tüchleinmalerei einem anderen Entstehungszusammenhang und einer anderen Handschrift zuzuweisen hat, dass verschiedene Maler tätig waren. Möglicherweise kam sie als kommerziell für Pilger in Rom hergestellte Kopie des Gnadenbildes nach Halberstadt und wurde dort in ein eigens dafür hergestelltes Retabel integriert und später im Umkreis von anderen Künstlern kopiert.

Material/Technik

Nadelholz, Fassung, Öl auf Holz, Tempera auf Leinen (30 Schussfäden : 26 Kettfäden), Metallscharniere

Maße

Höhe 49 cm, Breite 39,5 cm (mit altem Rahmen), geöffnet Höhe 49 cm, Breite 79, Tiefe 2 cm

Literatur

  • Busch, Harald (1931): Meister Wolter und sein Kreis. I. Kirchliche Holzskulptur und Malerei des XVI. Jahrhunderts in Hildesheim vor der Einführung der Reformation (1542). Ein Beitrag zur Kunstgeschichte der Niederdeutschen Renaissance (Studien zur deutschen Kunstgeschichte 286). Straßburg, Abb. 147
  • Fuhrmann, Hans (2009): Die Inschriften des Doms zu Halberstadt. (Die Deutschen Inschriften, hrsg. v. d. Akademien der Wissenschaften in Düsseldorf, Göttingen, Heidelberg, Leipzig, Mainz, München und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien, Bd. 75, Leipziger Reihe Bd. 3.). Wiesbaden, S. 247, Kat. Nr. 187
  • Gmelin, Hans Georg (1974): Spätgotische Tafelmalerei in Niedersachsen und Bremen. München, Berlin: Deutscher Kunstverlag, S. 479 f., Kat. Nr. 160
  • Strieder, Peter (1959): Hans Holbein d. Ä. Und die deutschen Wiederholungen des Gnadenbildes von Santa Maria del Popolo. In: Zeitschrift für Kunstgeschichte 22. o. O., S. 252-267, hier S. 264, 266
Karte
Hergestellt Hergestellt
1514
Mitteldeutschland
Hergestellt Hergestellt
1514
Rom
1513 1516
Kulturstiftung Sachsen-Anhalt - Domschatz und Dom St. Stephanus und St. Sixtus zu Halberstadt

Objekt aus: Kulturstiftung Sachsen-Anhalt - Domschatz und Dom St. Stephanus und St. Sixtus zu Halberstadt

Der gotische Dom St. Stephanus und St. Sixtus in Halberstadt birgt zahlreiche Kunstwerke, in denen die Frömmigkeit von vielen Generationen zum...

Das Museum kontaktieren

[Stand der Information: ]

Hinweise zur Nutzung und zum Zitieren

Die Text-Informationen dieser Seite sind für die nicht-kommerzielle Nutzung bei Angabe der Quelle frei verfügbar (Creative Commons Lizenz 3.0, by-nc-sa) Als Quellenangabe nennen Sie bitte neben der Internet-Adresse unbedingt auch den Namen des Museums und den Namen der Textautorin bzw. des Textautors, soweit diese ausdrücklich angegeben sind. Die Rechte für die Abbildungen des Objektes werden unterhalb der großen Ansichten (die über ein Anklicken der kleineren Ansichten erreichbar werden) angezeigt. Sofern dort nichts anderes angegeben ist, gilt für die Nutzung das gerade Gesagte. Auch bei der Verwendung der Bild-Informationen sind unbedingt der Name des Museums und der Name des Fotografen bzw. der Fotografin zu nennen.
Jede Form der kommerziellen Nutzung von Text- oder Bildinformationen bedarf der Rücksprache mit dem Museum.