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Kulturstiftung Sachsen-Anhalt - Domschatz und Dom St. Stephanus und St. Sixtus zu Halberstadt Highlights Möbel [DS426]
Reliquienschrank aus der Liebfrauenkirche Halberstadt, Stollenschrank (Kulturstiftung Sachsen-Anhalt CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Kulturstiftung Sachsen-Anhalt / Falk Wenzel (CC BY-NC-SA)
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Reliquienschrank aus der Liebfrauenkirche Halberstadt, Stollenschrank

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Beschreibung

Dieser im 2. Viertel des 13. Jahrhunderts hergestellte Schrank aus der Liebfrauenkirche ist in vielerlei Hinsicht außerordentlich bedeutend, da er nicht nur in seiner Art einzigartig ist, sondern auch seine Bemalung ein herausragendes Beispiel spätromanischer Tafelmalerei darstellt. In der Kunstwissenschaft ist er für die Genese der großen Schauretabel des Mittelalters in Anspruch genommen worden.

Im Kern besteht er aus Eichenholz, in einfacher Konstruktion aus rahmenden Stollen mit eingenuteten Füllbrettern zusammengesetzt (Skizze bei Möller 1996 S. 136). Da für das innere Fach Nadelholz verwendet wurde, nimmt die Forschung an, dass dieses später eingefügt oder zu einem späteren Zeitpunkt erneuert wurde. Auf Kreidegrund und teilweiser Pergament- und Leinwandbespannung ist die Malerei in Tempera aufgebracht. Diese Materialkombination macht den Schrank besonders empfindlich für Klimaschwankungen.
Er ist rund 2 m hoch, 80 cm tief und oben 135 cm breit, die Brettstärke beträgt 4 cm. Innen war mindestens das obere Fach mit rotem Stoff ausgekleidet, von dem noch Reste vorhanden sind.
Auf der Außenfront ist die Verkündigung Mariens dargestellt: Unter einem von Säulen getragenen Baldachin steht links Maria und rechts der Engel. Auf der linken Schmalseite außen ist vermutlich Johannes Evangelist wiedergegeben, auf der anderen Seite der Heilige Paulus. Bei geöffneten Türen sieht man auf der linken Innenseite die Heilige Katharina und auf der rechten Seite die Heilige Kunigunde. Unten umzieht ein Dekorband mit pseudokufischem Ornament den Fuß des Schrankes. Die Malerei ist byzantinisch beeinflusst und mit der etwa zeitgleich anzusetzenden Verkündigung im Goslarer Evangeliar (um 1240) in Verbindung gebracht worden (Weitzmann 1978).

Der Schrank wurde erst 1931-32 in seiner Besonderheit bzw. sogar Einzigartigkeit erfasst, nachdem in der Restaurierungswerkstatt beim Provinzialkonservator in Halle (Saale) durch Albert Leusch seine braune Fassung auf den Außentüren in einer für damalige Verhältnisse äußerst fortschrittlichen Restaurierung abgenommen wurde. Damals verfolgte man die heute weitgehend zum Standard gewordene Vorgehensweise, aus Respekt gegenüber dem Alter und Rang des Objektes lediglich zu konservieren und nicht zu vervollständigen, bzw. es als Fragment zu präsentieren.

In der Forschungsliteratur sind unterschiedliche Nutzungen des Schrankes, die auf sein Bildprogramm zurückgehen, vorgeschlagen worden: Neben der allgemeinen Funktion als Sakristeischrank, der Kelche, Patenen, Gewänder und anderes Gerät rings um die Messe aufnimmt, sind auch dezidiert Marienreliquien (Krause), die Halberstädter Sitzmadonna selbst (siehe unten Link, Appuhn) oder liturgische Bücher (Tripps) in Erwägung gezogen worden.
Als mittelalterlicher Standort in der Liebfrauenkirche wurde das Nordquerhaus benannt. In den 20er und 30er Jahren des 19. Jahrhunderts stand er "an der Nordseite des [Haupt-]Altares" (Lucanus 1848).

Da die Liebfrauenkirche nach 1812 nicht mehr genutzt wurde und ihre weitere Bestimmung unentschieden blieb, verfiel sie. Aus diesem Grund wurden mehrere wertvolle Ausstattungsstücke ab 1828 aus der Liebfrauenkriche in den Dom, insbesondere in den Neuen Kapitelsaal gebracht und dort sicher und trocken aufbewahrt. Zwischen 1833 und 1842 kam auch der Schrank dorthin und wurde nach 1848, als die evangelisch-reformierte Gemeinde nach einer von preußischen König Friedrich Wilhelm IV. finanzierten Restaurierung die Liebfrauenkirche zum Geschenk erhielt, nicht mehr dorthin zurückgegeben, aber im Domschatz immer mit dem Hinweis auf ihre ehemalige Herkunft aufbewahrt. Ein bekrönendes "Tabernakel", vermutlich ein Dreiecksgiebel, war noch 1842 vorhanden.

Material/Technik

Eichenholz, Nadelholz, Pergament, Leinwand, Eisen, Seide, Kreidegrundierung, Polimentvergoldungen, Temperafassung

Maße

198 x 137 x 78 cm

Literatur

  • Danz, Karoline (2012): Die hallesche Restaurierungswerkstatt unter Albrecht Leusch. Zur Geschichte der Restaurierung in der Denkmalpflege der Provinz Sachsen 1925-1945. Halle (Saale)
  • Harald Meller, Ingo Mundt, Boje E. Hans Schmuhl (Hrsg.) (2008): Der Heilige Schatz im Dom zu Halberstadt. Regensburg: Schnell & Steiner, S. 376-379
  • Krause, Hans-Joachim (1997): Zur Geschichte und Funktion des spätromanischen Schranks im Halberstädter Domschatz. Sachsen und Anhalt. Jahrbuch der Historischen Kommission für Sachsen-Anhalt, 19.1997, S. 455-494
  • Möller, Roland (1996): Zur Maltechnik des bemalten romanischen Schrankes aus der Liebfrauenkirche zu Halberstadt im Vergleich mit zeitgenössischen Quellenschriften. Das Aschaffenburger Tafelbild. Studien zur Tafelmalerei des 13. Jahrhunderts, S. 135-150
  • Stange, Alfred (1935/36): Der Halberstädter Schrank. Jahrbuch der Denkmalpflege in der Provinz Sachsen und in Anhalt. 1935/36, S. 35-42
  • Tripps, Johannes (2011): Der Schrank aus dem Marienstift zu Halberstadt: Überlegungen zu Form und Funktion. urn:nbn:de:bsz:16-artdok-16941
  • Weitzmann, Kurt (1978): Die Malerei des Halberstädter Schrankes und ihre Beziehung zum Osten, mit einem Anhang von Renate Kroos. Zeitschrift für Kunstgeschichte 41.1978, S. 258-282
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Kulturstiftung Sachsen-Anhalt - Domschatz und Dom St. Stephanus und St. Sixtus zu Halberstadt

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