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Selbstporträt des Karl Christian Kehrer (Gleimhaus CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Gleimhaus / Gleimhaus (CC BY-NC-SA)
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Selbstporträt des Karl Christian Kehrer

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Beschreibung

Carl Christian Kehrer wurde geboren am 1. (so in den Matrikeln der Berliner Kunstakademie) oder 14. (so Familienforschung Jüngken 1918) August 1755 in Dillenburg im Nassauischen als Sohn des Landkommissars Martin Tobias Andreas Kehrer (Windsbach 1717-1790 Erbach) und der Elisabeth Sophie Luck (Beerfelden bei Erbach im Odenwald 1730-1806 Erbach). Er war der ältere Bruder des Tiermalers und Archivars Christian Wilhelm Karl K. (1770 - Erbach/Odenwald - 1869). Bald nach der Geburt zog die Familie nach Erbach um, wo der Knabe bis in sein 18. Jahr den Vorbereitungsunterricht zum Universitätsstudium genoss. Eine künstlerische Laufbahn war zunächst nicht in Erwägung gezogen worden, zumal das linke Auge des Knaben in Folge einer Pockenerkrankung die Sehkraft verloren hatte.
1773 begann Kehrer seine künstlerische Ausbildung bei einem Hofbildhauer in Darmstadt, sehr wahrscheinlich Johann Tobias Eckard (1744-1819), siedelte jedoch nach 8 Monaten nach Hanau über und trat in die im Jahr zuvor gegründete „Academie der Zeichenkunst“ ein. In erster Linie handelte es sich hierbei um eine Zeichenschule für Kunsthandwerker, doch genoss Kehrer hier auch Malunterricht bei Anton Wilhelm Tischbein (1730-1804), dem ‚Hanauer Tischbein‘. 1777 kehrte er, nicht ganz zufrieden mit dem Erlernten, in sein Elternhaus zurück und wandte sich gezielt und erstmals der Porträtmalerei zu, durch die er seinen Lebensunterhalt zu sichern gedachte. In den folgenden Jahren war er in Erbach, Darmstadt, in der Wetterau und 1782 auch in Hannover als Porträtist tätig, bis er 1783 durch Empfehlung – von wem, wissen wir nicht – an den Hof des Fürsten Friedrich Albrecht zu Anhalt-Bernburg (1735-1796) nach Ballenstedt kam. Nach zweijährigem Aufenthalt wurde er zum Hofmaler ernannt, allerdings ohne eine Pension zu beziehen, jedoch nicht ohne gewisse Präsenzpflichten.
Mit Erlaubnis seines Dienstherrn setzte Kehrer 1785 seine künstlerische Ausbildung in Dresden fort. Er betrieb eingehende Altmeisterstudien; namentlich erwähnte er die Auseinandersetzung mit den Werken van Dycks, Rubens‘, Rembrandts, Tizians und Correggios als außerordentlich lehrreich: Daneben betrieb er (wohl erstmals) Aktstudium und konnte in persönliche Beziehung zu Anton Graff, dem führenden Porträtisten der Epoche, treten; ihm durfte er bei der Arbeit zusehen.
Ab Ende 1787 war Kehrer als Porträtist in Leipzig tätig, begab sich 1788 zunächst nach Ballenstedt zurück und dann im Frühjahr 1790 nach Berlin. 1792 wurde er nach Ballenstedt zurückberufen, wo er fortan tätig war. Eine in Aussicht gestellte Unterstützung zu einer Reise nach Italien wurde ihm nicht gewährt. Über sein Verhältnis zu Johann Christoph Burckhardt, dem ersten Lehrer der Caroline Bardua, der ebenfalls Hofmaler in der für zwei Hofmaler doch recht kleinen Residenz Ballenstedt war, ist nichts bekannt.
1793 nahm ihn die Preußische Kunstakademie, an deren Ausstellungen er sich bereits seit 1788 beteiligt hatte, als Mitglied auf. Als Rezeptionsstück reichte er ein Kniestück des Dichters Johann Wilhelm Ludwig Gleim, der grauen Eminenz der deutschen Literatur, ein, um hiermit „nicht so wohl ein Portrait nach [s]einen Kräften aus[zu]arbeite[n], sondern auch das Portrait einer ruhmwürdigen Person dar[zu]stellen“ (Kehrer an Gleim, 16.12.1794, Gleimhaus). Bereits im Jahr 1792 war Kehrer mit Gleim in Kontakt getreten, als er ihm das in deren Todesjahr in Berlin entstandene Bildnis der Dichterin Anna Louisa Karsch, die er mehrfach porträtiert hatte, anbot. Neben diesem und einem Bildnis Gleims selbst sind heute weitere Porträts von Gleim-Freunden im Freundschaftstempel erhalten, die Kehrer 1795/96 im Auftrag des Dichters schuf, ferner ein Gruppenbild der Familien Gleims und des Diplomaten Christian Conrad Wilhelm von Dohm (Dauerleihgabe der städtischen Museen Regensburg); ein einst hier befindliches Bildnis der Prinzessin Pauline von Anhalt-Bernburg (1794) ist verschollen (ein Kniestück der Prinzessin in Schloss Detmold).
Auf der Blumentapete in Gleims Gartenhaus, die Gleim gleichsam als Gästebuch diente, zitierte Kehrer als seinen Wahlspruch den Ausruf des Malers in Lessing „Emilia Galotti“ (Akt 1): „Ha! daß wir doch nicht unmittelbar mit den Augen malen! Auf dem langen Wege aus den Augen durch den Arm in den Pinsel – wieviel geht da verloren.“
Dem Altersbildnis der Karschin war ein Porträt eines 110-jährigen Bergmannes Fr. Greinert (1789) vorausgegangen. In den Dresdner Akademieausstellungen der 1780er Jahre hatte Kehrer mit seinem Porträt des Schlachtenmalers Berggold sowie außerdem zwei Darstellungen der „Diana im Bade“ in der Art Dietrichs Beifall gefunden. Den Herzog Karl II. von Pfalz-Zweibrücken malte er um 1790 im Jägerhabit (Jagdschloß Kranichstein bei Darmstadt), ferner porträtierte er ein Frl. v. Arnstedt, Hofdame der Prinzessin von Schweden sowie einen Prinzen von Preußen mit Gemahlin (vermutlich Prinz Ludwig und Prinzessin Friederike). Mitte der 1790er Jahre porträtierte er seinen Dienstherrn Alexius Friedrich Christian Herzog von Anhalt-Bernburg (ein Expl. in der Museumslandschaft HessenKassel), das Bildnis gestochen von Heinrich Sintzenich, sowie Marie Friederike von Hessen-Kassel, Fürstin von Anhalt-Bernburg.
Bereits kurz nach 1800 hatte Kehrer sich der Darstellung geschichtlicher bzw. mythologischer Stoffe zugewandt (Tarquinius Brutus schwört Lukretia zu rächen; Virginius ersticht seine Tochter, um sie vor der Schande zu bewahren, 1804). 1804 und 1805 beteiligte er sich an der Preisaufgabe für bildende Künstler in Weimar (Gemälde nach Salomon Geßners „Gemälde aus der Sündflut“ sowie drei Gemälde zum Leben des Herkules). Bereits 1803 hatte er Goethe das GemäldeRaub der Proserpina“ zur Beurteilung geschickt (vier Briefe an Goethe im Goethe- und Schiller-Archiv, Weimar). Als in napoleonischer Zeit die Nachfrage nach Porträts zurückging, nahm die Geschichts- und Genremalerei größeren Raum in seinem Schaffen ein („Cäsars Ermordung“, um 1807, 1906 bei Hermann Jüngken, Weimar; später außerdem: Polyxena wird am Grabe Achills von dessen Sohn Neoptolemos geopfert; Antiochus und Stratonike, 1820). Auch die Ereignisse der Zeit boten ihm Themen (Nemesis, als Allegorie auf den Untergang der französischen Armee infolge der Schlacht an der Beresina, wohl 1813, 1906 bei Hermann Jüngken, Weimar; eine Allegorie auf den wiedererlangten Frieden im Herzogtum Anhalt, wohl 1814, als Leihgabe des Landes Sachsen-Anhalt im Gleimhaus).
An Darstellungen religiöser und literarischer Stoffe sind dokumentiert: Maria Magdalena; Darstell. des 14. Kapitels Jesaja; Die Ehebrecherin; Unverhofftes Wiedersehen, nach Hebel's „Bergmann von Falun“; Künstlers Erdenwallen, nach Goethe, in 3 Bildern; „Hoch klingt das Lied vom braven Mann“ (nach Bürger); Die Weiber von Weinsberg; Der Kampf mit dem Drachen, nach Schiller (1824). Eigentümlich nimmt sich eine Reihe von satirisch aufgefassten Darstellungen zum Künstlertum aus: Neudeutschtümliches Kunsttum (junger Künstler in altdeutscher Tracht vor einem Madonnenbild); Der Künstler in seiner Werkstatt (1816); Des Künstlers Apotheose (1826); Der ostfriesische Edelmann u. die Mansfelder; Der Autor u. seine Rezensenten (1832); Der Genius der bild. Künste im Widerstreit mit den Zollbeamten vor dem Tore einer Stadt (Anhaltische Gemäldegalerie Dessau). Dokumentiert sind ferner einige Landschaftsdarstellungen (Gegensteine bei Ballenstedt, 2020 bei Galerie Blehle, Seligenstadt).
Seit 1815 war Kehrer Mitglied der Churfürstl. Hessischen Zeichnen-Akademie zu Hanau. Der Künstler starb am 7. April 1833 in Ballenstedt.
Die wichtigste Grundlage dieser Lebensbeschreibung ist eine handschriftliche Autobiografie, die sich nebst genealogischem Schriftgut, Lebensdokumenten sowie einem eigenhändigen Verzeichnis der zwischen 1787 und 1792 entstandenen Werken noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Besitz der Nachkommen des Künstlers befand (Oberpostsekretär Hermann Jüngken, Weimar; mitgeteilt in dessen lithografisch vervielfältigter „Geschichte der Familie Jüngken, nebst den Seitenlinien mit Stammtafel und Namensverzeichnis“, Weimar 1918)
Das vorliegende Bildnis, von dem eine ovale Replik als Gegenstück zu einem Porträt der Mutter fotografisch dokumentiert ist, gelangte gemeinsam mit den Porträts der Gemahlin und des Sohnes des Künstlers aus dem Besitz von dessen Nachkommen in das Gleimhaus. Es steht in der Tradition des Porträts der Aufklärung, das die geistig-seelische Regsamkeit des Dargestellten zu transportieren sucht, und ist in der Gleichmäßigkeit der Lichtführung und der Einheitlichkeit in der Darstellung von Kopf und Körper bereits biedermeierlich.

Material/Technik

Öl/Lw.

Maße

50,5 x 40,5 cm; mit Rahmen 60,9 x 50,8 cm

Inventarnummer

[A 235]

Gehört zu

Kunstsammlung

Literatur

  • Hermann Jüngken (1918): Geschichte der Familie Jüngken, nebst den Seitenlinien mit Stammtafel und Namensverzeichnis. Weimar

[Stand der Information: ]

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