Zur Werkgruppe “Menschen“
Eine umfangreiche Gruppe in Gerda Leos Werk bilden fotografische Porträts. In ihren freien Fotografien experimentierte sie auch über konventionelle Sehgewohnheiten hinaus. Die Bildnisse ihrer Familie, aus dem Freundeskreis oder im Umfeld ihres Studiums an der “Burg“ reichen von en face-Darstellungen bis hin zum verlorenen Profil und zeigen Situationen oder Inszenierungen, in Innen- oder Außenaufnahmen. Einige stilistische und kompositorische Mittel finden sich immer wieder: Tageslicht fällt meist als starkes Seitenlicht auf die Gesichter, so dass, vor allem bei en face-Darstellungen, eine Gesichtshälfte im Dunkel bleibt. Zudem sind die Portraitierten häufig knapp ins Format gesetzt, bis hin zum Anschnitt, oft vor nicht näher definierbarem, hellen oder dunklen Hintergrund. Diese Elemente ihrer Bildsprache finden sich schließlich auch in anderen Sujets wieder, etwa bei Pflanzen- oder Sachaufnahmen. Gerda Leos Aussage: “Man nimmt nur auf, was schon in einem drin ist.“ wird hier visuell nachvollziehbar (zit. n. Staatliche Galerie Moritzburg (Hrsg.), Gerda Leo. Photographien 1926–1932, Leipzig 1994, S. 75).
Zum Motiv “Selbst im Spiegel“
Heutzutage ist es ein vertrauter Anblick: Ein junger Mensch steht vor dem Spiegel und macht ein Selfie mit dem Smartphone. Gerda Leo fotografierte sich auf diese Art mit einer analogen Kamera mit Fernauslöser bereits Mitte der 1920er Jahre. Der Apparat, der für die Fotografie nötig ist, steht ihr sogleich als Attribut voran und charakterisiert sie als Fotografin. Grelles Tageslicht fällt von der Seite auf Leo und sorgt für eine asymmetrische Überbelichtung ihrer einen und Verschattung ihrer anderen Körperhälfte. Auffällig ist außerdem die bewusst eingesetzte Unschärfe, die über dem gesamten Bild liegt. Das stilistische Spiel von Hell-Dunkel und Schärfe-Unschärfe setzte Gerda Leo in ihrem Selbstbildnis gekonnt ein, um ein atmosphärisches Stimmungsbild zu erzeugen. Die fotografischen Grundelemente – allzu oft als Selbstverständlichkeit hingenommen - werden hier in ihrer Gemachtheit offengelegt.
Schenkung Gerda d'Oliveira-Leo, Amsterdam
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