Zur Werkgruppe "Studien- und Sachfotografie“
Einen großen Teil im fotografischen Schaffen von Gerda Leo nehmen die Studien- und Sachfotografien ein, die immer auch dem "Neuen Sehen“ verhaftet sind. Wohl arrangierte und präzise durchdachte Arrangements sind dabei von gefundenen Themen oder Aufgabenstellungen von ihrem Lehrer in der Fotoklasse an der "Burg“, Hans Finsler (1891–1972), zu unterscheiden. Finsler stellte den Schülern Aufgaben im Sinne von Anregungen: Eine Straße entlanggehen und Menschen mit der Kamera beobachten oder tätige, nach etwas greifende oder arbeitende Hände zu fotografieren. Das damit verbundene Ziel war es, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen, beweglich werden im Sehen wie im fotografischen Darstellen des Gesehenen.
Zum Motiv “Kette und Kästchen“
Üblicherweise würde eine Halskette am Hals der Trägerin, eventuell passend zu einem Kleid, aufgenommen werden. Aber es scheint als ob der Star der Aufnahme nicht die Kette, sondern das liebevoll gestaltete Kästchen ist – gewissermaßen eine Kette als Accessoire, nur eben nicht für einen Menschen, sondern für den Gegenstand in dem sie aufbewahrt werden kann. Denn, nur Teile des Halsschmuckstücks finden ihren Platz in der Aufnahme und diese verschwimmen vor allem in der linken oberen Bildecke in der Unschärfe. Ginge es Gerda Leo in der Fotografie rein um die Darstellung der Kette, käme ihr sowohl kompositorisch als auch stilistisch eine tragendere Rolle zu - wie an dem Kästchen zu sehen ist: Bestechende Schärfe in allen Details, präsente Position, Spiel von Licht und Schatten. Gerda Leo ging aber einen Schritt weiter. Die zwei Objekte ließ sie nicht singulär nebeneinander stehen. Durch ihre Anordnung treten Kette und Kästchen miteinander in Verbindung. Boden und Bodensockel der Häuserfassade weisen auffälig als gespiegeltes ‚L‘ auf die Kette hin. Diese wiederum scheint als gespiegeltes ‚S‘ sich um das Kästchen zu schmiegen wie sie es auch an einem Hals tun würde. Form und Funktion der Gegenstände vereinte und visualisierte Gerda Leo auf raffinierte Art in dieser Aufnahme. Das Nebeneinander der Objekte verweist darüber hinaus auf den Prozess des An- und Ausziehens, des sorgfältigen Verwahrens, der wiederum die feine, hochwertige Verarbeitung und damit den Wert des Schmuckstücks spiegelt.
Schenkung Gerda d'Oliveira-Leo, Amsterdam
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