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Kulturstiftung Sachsen-Anhalt - Museum Schloss Neuenburg Metall Handwerk & Werkzeug Militaria Kunsthandwerk [MSN-IV 53/108 F]
Steigbügel (Kulturstiftung Sachsen-Anhalt CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Kulturstiftung Sachsen-Anhalt / Punctum/Bertram Kober (CC BY-NC-SA)
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Prunksteigbügel

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Beschreibung

Der Steigbügel oder veraltet „Stegreif“ dient dem Reiter als Aufsteighilfe und begünstigt als seitlich am Sattel herabhängende Fußstütze die Stabilität und Sicherheit des Reiters. Ein Bügel besteht aus einem mehr oder minder breitem Steg oder einer Fußplatte als Fußstütze und einem den Fuß umschließenden Bügel, dessen oberes Ende mit einer Öse für die Steigriemen abschließt.

Der im Museum Schloss Neuenburg befindliche Steigbügel gelangte bereits vor 1945 als Schenkung des zu damaliger Zeit in Freyburg wohnhaften Militärhistorikers Kurt von Priesdorff (1881-1967) in den Bestand des Museums. Gegossen aus Bronze, wurde er zusätzlich ziseliert und abschließend vergoldet. Er weist ein recht hohes Gewicht von 730 Gramm auf. Bei seiner Betrachtung fallen zuerst seine rechteckig wirkende Grundform sowie die sehr breite Trittfläche auf. Diese besteht nicht aus einer geschlossenen Fläche, sondern ist offen und wird durch zwei innere schmale Stege unterteilt. An der Trittfläche ist erkennbar, dass der Steigbügel tatsächlich auch benutzt wurde. Die den Tritt bildenden Stege wirken abgenutzt, die Vergoldung ist in diesem Bereich stark berieben. Zudem war der hintere äußere Steg einstmals gebrochen. Die Schadstelle wurde mit einem aufgesetzten Stück Eisen jedoch wieder ausgebessert.
Der vordere Steg zeigt mittig eine stilisierte Muschel, die an den Rändern zusätzlich gelocht wurde. Wozu diese Lochung diente bzw. ob und was daran eventuell befestigt wurde, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Der den Fuß umschließende bandförmige Bügel setzt an beiden Seiten mit Roll- und Bandwerk unterhalb der Trittfläche stelzenartig an. Er bietet mit einer Breite von 5,5 cm genug Fläche, um das umfangreiche antikisierende Dekor über die gesamte äußere Bügelfläche aufzunehmen. Das Dekor ist auf beiden Bügelhälften identisch. Im unteren Bereich, von Voluten, Band- und Rollwerk eingefasst, eine Kampfszene zwischen Herkules und Antaios in mit Baumstümpfen angedeuteter Landschaft. Herkules, erkennbar an dem von ihm getragenen Löwenfell, umklammert Antaios. Die angewinkelten Beine des Riesen haben bereits den Kontakt zum Erdboden verloren. Die Dynamik des Körpers symbolisiert den verzweifelten Versuch, sich aus dem tödlichen Würgegriff seines Gegners zu befreien. Seinen rechten Arm hat er hilfesuchend von sich gestreckt, der rechte stemmt sich abwehrend gegen Herkules. Über dieser Szene erwächst die Büste einer weiblichen Figur in faltenreichen Gewändern, unter denen sich die Brustpartie deutlich abzeichnet. Ihre langen kunstvoll aufgetürmten Haare, die sich anmutig über Schultern und Hals kräuseln, entpuppen sich bei näherer Betrachtung als Schlangen und identifizieren die Dargestellte als Medusa, eine der drei Gorgonen aus der antiken Mythologie. Zwei schlangen- oder drachenartige Fabelwesen winden sich zudem links und rechts von Medusa. Darüber erblickt der Betrachter das fratzenartige Antlitz eines Fabelwesens. Die maskenartigen Gesichtszüge sind schreckeinflößend verzerrt, aus dem weit aufgerissenen Maul ergießt sich die Szene ordnendes Bandwerk, zusätzlich rahmt angedeutetes Roll- und Knorpelwerk den Maskaron ein. Bekrönt wird der Fratzenkopf durch eine wilde Blätterkrone, aus welcher wiederum zwei symmetrisch angeordnete Schlangenwesen erwachsen. Darüber befindet sich der Ansatz zur fest mit dem Bügel verbundenen kastenartig wirkenden Riemenöse, durch die der Steigbügel mit dem entsprechenden Lederriemen am Sattel befestigt werden konnten. Auch die Riemenöse ist nicht schmucklos. Ein weiterer Maskaron mit breit gezogenen Gesichtszügen verblendet kunstvoll die profane Haltevorrichtung.

Produziert wurden diese Reiterhilfen im Mittelalter und der frühen Neuzeit von Handwerkern, die den Schmiedeinnungen angehörten. „Sporer“ oder „Bizzer“, also Sporn- und Gebissschmiede, fertigten neben ihren eigentlichen Hauptprodukten zum Teil auch Steigbügel. Vor allem aber konnte man beim so genannten „Stegreifer“ dieses spezielle Sattelzubehör erwerben.

Exklusive Auftraggeber, fürstliches Selbstverständnis und handwerkliches Können, beeinflusst von den Stilelementen der Renaissance - vor diesem Hintergrund ist vielleicht auch der Steigbügel des Museums Schloss Neuenburg einzuordnen. Sein Dekor weist deutliche Elemente der Spätrenaissance bzw. des Manierismus auf (mythologische Szene, Medusenhaupt, Maskaron. Roll- und Bandwerk, Fabelwesen). Die breite Trittfläche sowie der bandartige Bügel und die kastenartige Riemenöse lassen eine zeitliche Einordnung in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts vermuten. Sicher war er nicht für den gewöhnlichen Gebrauch vorgesehen. Allein die Tatsache, dass ein im Vergleich zum Umfang der restlichen Ausrüstung im Allgemeinen relativ unscheinbarer Steigbügel im Dekor nicht vernachlässigt und dieses zusätzlich vergoldet wurde, deutet gegen eine alltägliche Verwendung. Der Meister des Steigbügels ist unbekannt, und auch die Bestimmung der grafischen Vorlagen seines Dekors bedarf weiterer Forschung. Jedoch war er möglicherweise Teil einer jener prachtvollen Prunkharnisch-Garnituren, die den höfischen Reiterspielen und Paraden des 16. Jahrhunderts ihren Glanz verliehen.
 
(E. Keindorff)

Material/Technik

Bronze, gegossen, ziseliert, vergoldet

Maße

Höhe 17 cm, Breite 12,5 cm; Gewicht: 730 g

Literatur

  • Ellen Keindorff, In: (2017): Unsere Neuenburg, Heft 18. Mitteilungen des Vereins zur Rettung und Erhaltung der Neuenburg e.V. Freyburg (Unstrut), S. 110-119

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Ein Geschenk - das ist für ein Museum eine Freude, doch ist es zugleich mit der Verpflichtung und der Verantwortung verbunden, dieses zu erhalten und zu bewahren. Für das Museum Schloss Neuenburg haben Schenkungen schon immer eine außerordentliche Stellung eingenommen, denn schon die erste Museumssammlung 1935 fußte darauf. Ohne Schenkungen wäre die Sammlung des Museums wesentlich ärmer und kleiner. Zugleich sind sie ein höchst emotionales Zeichen der Verbundenheit mit der Burganlage. So sind nun nach über 90 Jahren der Museumsgeschichte etwa 75 Prozent der mehr als 65 000 Objekte aller Art Schenkungen. In dieser immensen Schenkungsbereitschaft zeigt sich, damals wie heute, die große bürgerschaftliche Anteilnahme, durch welche die Sammlung eine so üppige Vielfalt erlangen konnte. Hinter jedem Objekt steht auch der Schenkende und sein Leben: Wissenschaftler, Unternehmer, Landwirte, Lehrer und Handwerker. Die Gründe für eine Schenkung sind oft vielschichtig, sie eint jedoch der Wunsch, dass der Schenkungsgegenstand vor der Vernichtung bewahrt und für spätere Generationen erhalten sowie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll. Vorgestellt werden in der Ausstellung deshalb einzigartige und bemerkenswerte Schenkungen und deren Hintergründe, welche die Verbundenheit mit der Burganlage und dem Museum widerspiegeln, die bis in die Gegenwart reicht. Die Ausstellung „beschenkt. geschätzt. bewahrt“ mit ihren manchmal auch ungewöhnlichen Objekten ist vom 29. März bis zum 31. Oktober 2024 im Bergfried „Dicker Wilhelm“ zu erleben.

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