Dem neugebornen
Herrn
Canonicus Gleim,
seinem würdigsten Gönner
im Gefühle wahrer Hochachtung gewidmet
am 2ten April. 1792,
von
H. W. Hempel,
Adj. soc. scient. & art. Viadr.
Wer sieht des Waldes Stolz, die Eiche
mit hochbejahrtem Haupte stehn,
und wünschet nicht, die Schattenreiche
noch lange so geschmückt zu sehn?
Wen labte unter´m Blätterdache
nicht besser, als auf weichem Flaum,
damit er doppelt froh erwache,
ein leichter, angenehmer Traum?
Und wer erblickt im Schmuck der Jahre
Dich, Deutschlands Barde, grosser Mann!
der nicht für DEINE Silberhaare
sich ehrfurchtsvoll verbeugen kann?
Schon gleicht DEIN Haupt dem Schwangefieder
worauf das Abendroth sich mahlt:
Doch liebst DU Rosen noch und Lieder,
so lange Phöbus DICH umstralt.
Kein böser Dämon wird es wagen
zu stören DEINE Heiterkeit,
kein Gram raubt Deinen späten Tagen
die göttliche Zufriedenheit.
Belehrt aus Deinem Gipfel, singen
schon Deutschlands Enkel manchen Sang,
den sie Dir dankend heute bringen
mit Jubelschall und Saitenklang.
Auch ich, beschirmt von DEINEN Zweigen,
vermehre diese Symphonie;
unmöglich wäre mir das Schweigen
wozu ein Gott mir Sprache lieh.
Vergönne mir, DICH so zu lieben
wie mich´s Empfindung hat gelehrt;
ha! sich an DEINER Grösse üben –
ist jedes Edlen Beifall werth.
