Der Flügelaltar "Madonna mit der Korallenkette" gilt als das bedeutendste Altarbild im Halberstädter Domschatz. Erhalten sind die Mitteltafel und der linke Flügel.
Die Mitteltafel zeigt Maria mit Krone als Himmelskönigin auf einem Thron mit dem nackten Jesuskind auf ihrem Schoß. Um sie herum sitzen sechs weitere Heilige: unter Baldachinen, die vom Thron ausgehen, Petrus mit dem Schlüssel und Paulus, in einem Buch lesend, neben dem Thron links Maria Magdalena mit den Salbgefäß in den Händen, rechts Anna, mit einer Schüssel voller Weintrauben im Schoß. Im Bildvordergrund folgen links Katharina mit ihren Folterattributen Wagenrad und Schwert, ein Buch lesend, und rechts Barbara mit einem Ziborium in ihrer Hand. Zwischen den beiden gekrönten Heiligen kniet eine munter gestikulierende Gruppe kleiner Engel (kenntlich an den dunklen Flügeln der beiden äußeren) um ein Buch und singen. Ein weiterer Engelschor ragt über dem Thron Mariens im Kielbogen empor, diese Engel in gleißendem Feuerrot gehalten als himmlische Erscheinungen. Im Vordergrund stehen noch zu Seiten des kleinen Engelschors zwei Blumenvasen mit Akeleien und Lilien. Die gesamte Gruppe umzieht eine niedrige Mauer, ein Goldgrund hinterfängt die Szene.
Diese Darstellung verschränkt mehrere Bedeutungsebenen: Maria zwischen den Heiligen zeigt den Bildtyp der Sacra Conversatione: des Gesprächs über die Menschwerdung Christi durch die Jungfrau Maria. Auf den späteren Kreuzestod Christi weist die blutrote Korallenkette, in die sowohl das Jesuskind als auch Maria greifen. Auch die Weintrauben in der Schale Annas (Wein) und die im Ziborium Barbaras vorauszusetzenden Hostien (Brot) beziehen sich auf den Opfertod Christi respektive auf das Letzte Abendmahl. Die Jungfräulichkeit und Reinheit Mariens und die unbefleckte Empfängnis verbildlichen die Mauer, die zum Bildtypus des hortus conclusus rechnet, und die Lilie in der Vase des Bildvordergrunds. Wie die Lilie zählt auch die Akelei zu den Marienblüten und symbolisiert die Demut Mariens, die Dreieinigkeit und den Lobpreis Gottes. Der goldene Bildgrund versetzt die gesamte Szene in eine himmlische Sphäre.
Die beiden singenden Engelschöre vor und hinter dem Thron Mariens könnten sich zudem sehr konkret auf den ursprünglichen Aufstellungsort des Altars beziehen, denn er stammt aus der Chorscheitelkapelle des Domes, welche der Verkündigung Mariens geweiht war (dort noch 1817 von Büsching 1819, S. 241 bezeugt). In dieser fand täglich die Rorate-Messe statt, eine Messe, die ansonsten nur im Advent, im Halberstädter Dom aber tagtäglich gefeiert wurde. In der Rorate-Messe wird das Evangelium von der Verkündigung des Herrn durch den Erzengel Gabriel gesungen. Und diesen Gesang verbildlichen die Engel mit ihrem himmlischen Gesang.
Die Thematik der Verkündigung an Maria greifen die Außenflügel auf, denn der noch erhaltene rechte Flügel zeigt auf der Außenseite Maria am Betpult aus dem Bildtypus der Verkündigung. Der Flügel mit dem Verkündigungsengel ist verloren. Auf der Innenseite des erhaltenen linken Flügels steht Johannes der Täufer in einem Baldachin; vermutlich bildete sein rechtes Bildpendant Johannes Ev.
Die Ausführung der Malerei erfolgte in feiner Lasurtechnik, in der sich die Darstellung in mehreren dünnen Schichten allmählich aufbaut. Die Figuren entsprechen mit ihren weichen, runden Formgebungen, den eleganten Schwüngen der Gewandfalten und den ruhigen, sanften Bewegungen dem Schönen oder Internationaler Stil der Zeit um 1400. Auch die Gesamtkomposition verrät eine Ausponderierung der Bewegungen, wenn etwa die Kopfneigungen der Heiligen auf der linken Bildseite mit gegengleichen Kopfneigungen auf der rechten Bildseite beantwortet werden, und der Farbanordnung, in der etwa das Rot des Engelschores hinter Maria in den Gewändern Petri, zweier Engel im Bildvordergrund und der Hl. Barbara wiederkehren oder das Braun im Gewand Magdalenas in jenem Pauli.