Zur Werkgruppe “Landschaft“
Ein bevorzugtes Motiv von Gerda Leo waren Landschaften. Hier spielte sie verschiedene Varianten durch: Extreme Nahsichten mit starkem Anschnitt finden sich ebenso wie der weite Blick über Felder in die Ferne. Stimmungsvolle Aufnahmen zu einer bestimmten Tages- oder Jahreszeit und auch detailgefüllte Ausschnitte fanden ihren Fokus. Die Fotografin hatte einen besonderen Blick für die Natur. Die von ihr gefundenen grafischen Strukturen wie Verästelungen vor dem Himmel oder gezogene Furchen auf einem Feld ließ sie wie Zeichnungen auf der Landschaft erscheinen. Auch Oberflächenstrukturen maß sie einen wichtigen Wert bei, etwa bei Gesteinsformationen oder bei Wasserdarstellungen. Mittels der Ausschnittwahl, verschiedenen Schärfeebenen und der Betonung von Licht und Schatten konnte Gerda Leo elementare Eigenschaften, das sogenannte 'Wesen der Dinge‘ hervorheben oder spielerisch die visuellen Möglichkeiten des fotografischen Bildes ausloten - ein erklärtes Ziel des "Neuen Sehens“.
Zum Motiv “Furchen auf der Höhbeck“
Acht Fotografien von Gerda Leo aus dem Jahr 1932 belegen ihren Besuch bei Asta Maria Hild in Gartow zu der auch die Gemeinde Höhbeck zählt. Hild lehrte an der Burg Giebichenstein von 1923–1926/27 rhythmische Gymnastik. An der "Burg“ werden sich die beiden Frauen kennengelernt und angefreundet haben, so dass es nicht verwundert, dass sich in Leos Aufnahmen im Zuge von Besuchen Gartower Motive finden. Höhbeck liegt im heutigen Biosphärenreservat Niedersächsische Elbtalaue. Allein dieser Titel lässt wunderschöne Landschaften vermuten. Die Vertreterin des "Neuen Sehens“ interessierte sich in ihrer Fotografie aber nicht für die herrliche Weite des Flusstals - ihr ging es um die besondere Perspektive, um die in der Natur gefundene, grafische Struktur, um Rhythmisierung durch Gegensätze wie Licht und Schatten, wie Schärfe und Unschärfe. All diese Dinge fand sie in der Kulturlandschaft eines Ackers in Höhbeck statt in der Postkartenlandschaft der Elbtalaue. Am Fuße des Hanges stehend, nahm Leo das Feld mit Blick nach oben auf. Die Furchen weisen den Weg zur Horizontlinie über der nur ein schmaler Streifen Himmel liegt. Einige Bäume rechts und links helfen bei der räumlichen Verortung und markieren das Ende des Feldes am Horizont. Was sich hinter der Kuppe befindet, bleibt dem Betrachter verborgen. Das Tageslicht von rechts oben beleuchtet und verschattet die Furchen im alternierenden Wechsel und sorgt für die grafische Zeichnung aus mal dickeren, mal schmaleren, mal helleren, mal dunkleren Reihen. Die brillante Schärfe der Aufnahme zeigt jeden Erdklumpen, jeden Stein, jeden vertrockneten Halm, der die Erde fast haptisch erlebbar macht.
Schenkung Gerda d'Oliveira-Leo, Amsterdam