Die Epoche der Aufklärung gilt auch als das „Jahrhundert des Briefs“. Das Briefschreiben erfuhr eine Vervielfachung und zugleich eine grundlegende Veränderung. Der zeremonielle Briefstil des Barock wurde abgelöst durch eine Schreibart, die an der mündlichen Rede orientiert war. So propagierte es etwa auch der Klassiker der Brieftheorie, Christian Fürchtegott Gellerts „Briefe, nebst einer praktischen Abhandlung von dem guten Geschmacke in Briefen“ (1751), der sich dabei auch auf das Beispiel der Französin Marie Marquise de Sévigné (1626-1696) berief.
Ein Exponent dieses neuen, ‚natürlichen‘ Briefstils war auch und gerade der Halberstädter Dichter, Literaturaktivist und -archivar Johann Wilhelm Ludwig Gleim. Sein Briefschreiben ging einher mit dem Projekt der damaligen Republik der Dichter und Denker, im Zusammenwirken die deutsche Literatur zu etablieren, sowie mit seinem ausgeprägten Freundschaftsleben. Zudem fasste Gleim in Bezug auf seine anwachsenden Bestände von Dichter- und Dichterinnenporträts, Büchern und eben auch Briefe den Gedanken der Überlieferung. Seine Briefschaften, erweitert um literarische Manuskripte, teilweise auch literarische Nachlässe befreundeter Autoren bilden das erste deutsche Literaturarchiv, das eben die Entwicklung der deutschen Literatur sowie die Freundschaftskultur der Aufklärung dokumentiert.
Johann Joachim Kaendler führte als Modellmeister die Meißner Porzellanplastik zu einer Hochblüte. Vielfach fand er Vorbilder für seine Modelle in der französischen Genremalerei. Auch der briefschreibende Jüngling erinnert, allerdings nur entfernt, an „Das Kartenhaus“ von Jean Siméon Chardin, das in einem Kupferstich von Pierre Filloeul bekannt war.
Kaendlers führt das Werk im Verzeichnis seiner Modelle unter der Benennung „1. Figur, einen Monsieur, der einen Liebes-Brieff schreibt, vorstellend, mit der Feder in der Hand am Tische sizend“. Bei den meisten bekannten Ausformungen hat er bereits die ersten, jeweils unterschiedlichen Zeilen auf das Blatt gebracht. In einigen Fällen beginnt der Brief mit einem Kompliment an eine Dame, in anderen Fällen mit einer Freundschaftsbeteuerung an einen Herrn.
Auf dem Tisch befinden sich außer den Sieben Sachen, die zum kultivierten Briefschreiben benötigt werden, Tintennäpfchen, Sandstreuer, Siegellack und Putzschere noch eine modische Taschenuhr und eine Schnupftabaksdose.