Zur Werkgruppe "Studien- und Sachfotografie“
Einen großen Teil im fotografischen Schaffen von Gerda Leo nehmen die Studien- und Sachfotografien ein, die immer auch dem "Neuen Sehen“ verhaftet sind. Wohl arrangierte und präzise durchdachte Arrangements sind dabei von gefundenen Themen oder Aufgabenstellungen von ihrem Lehrer in der Fotoklasse an der "Burg“, Hans Finsler (1891–1972), zu unterscheiden. Finsler stellte den Schülern Aufgaben im Sinne von Anregungen: Eine Straße entlanggehen und Menschen mit der Kamera beobachten oder tätige, nach etwas greifende oder arbeitende Hände zu fotografieren. Das damit verbundene Ziel war es, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen, beweglich werden im Sehen wie im fotografischen Darstellen des Gesehenen.
Zum Motiv “Hamburger Zimmerleute auf Wanderschaft (Stiefelputzen)“
Die kleine Serie zu den "Hamburger Zimmerleute[n] auf Wanderschaft“ beinhaltet fünf Fotografien unterschiedlichster Motivik. Wie schon bei den Aufnahmen auf ihrem Weg zur Burg Giebichenstein (Vgl. MOSPh04652/b und MOSPh04652/c) experimentierte sie hier mit ihrer neuen 6x6 Rolleiflex Kamera mit dem quadratischen Format. Dieses eignete sich besonders für die bewusste Wahl des Bildausschnitts. Nicht die stiefelputzende Person steht im Vordergrund der Fotografie, sondern das Stiefelputzen an sich. Nur die Beine, eines davon stark angewinkelt, und der reinigende, eine Bürste haltende Arm sowie als Hinweis auf die Tätigkeit liegende Schuhcreme hielt Gerda Leo fest. Aufgrund der Bewegung versinkt der Arm etwas in Unschärfe, d.h. die Aufnahme ist nicht gestellt oder besser der Akt des Putzens wurde für das Foto nicht unterbrochen. Auch die Umgebung verrät außer einer Straße, einer Wiese und einem stark angeschnittenen Haus keine weiteren Details. So widmet sich die Sachfotografie eben einer Sache – in diesem Fall gekonnt dem Stiefelputzen. Die vielen schrägen Linien mögen Leo als dynamische grafische Elemente am Bildmotiv interessiert haben.
Schenkung Gerda d'Oliveira-Leo, Amsterdam