Bei der sogenannten "Walkenrieder Friedenstafel" handelt es sich um eine Gedenktafel aus der Zeit des Siebenjährigen Krieges (1756 - 1763), die an den Abzug der kaiserlichen Truppen aus dem Fürstentum Blankenburg erinnert. Die Tafel wurde im Jahr 1968 zufällig während Aufräumarbeiten auf dem Dachboden der früheren Försterei Höllstein in Walkenried von Claus Eggert entdeckt. Auf dem bearbeiteten Holzbrett befindet sich ein Relief der doppelgesichtigen römischen Gottheit Janus sowie ein eingravierter lateinischer Schriftzug in Form eines Distichons - einem Verspaar, welches aus einem Hexameter (Sechsmaß) und einem Pentameter (Fünfmaß) besteht.
Die Inschrift
IanUa nUnC IanI CLaUsa est
anno hoCCe saLUtIs
paX et WaLCkreDae saLVatorqUe DeUs
lässt sich wie folgt übersetzen:
Die Januspforte ist nun geschlossen
In diesem Jahre des Heils
Frieden auch in Walkenried und Gott ist der Erretter
Die im Text verteilten Großbuchstaben, die jeweils römischen Ziffern entsprechen (das U ist in diesem Fall als V und das W als eine Aneinanderreihung von zwei V zu interpretieren) weisen darauf hin, dass es sich bei der Inschrift um ein sogenanntes Chronogramm handelt, d.h. einen Text mit einer darin codierten Jahreszahl, die sich durch Aufaddierung der Ziffern ergibt. Ein Chronogramm in Form eines Distichons wird auch als Chronodistichon bezeichnet.
Die Jahreszahl lässt sich zeilenweise wie folgt entschlüsseln:
IanVa nVnC IanI CLaVsa est
1+5+5+100+1+1+100+50+5= 268
ano hoCCe saLVtIs
100+100+50+5+1= 256
paX et VVaLCkreDae saLVator qVe DeVs
10+5+5+50+100+500+50+5+5+500+5= 1235
-> 268 + 256 + 1235 = 1759
Die sich dabei ergebende Jahreszahl 1759 legt einen Zusammenhang zwischen der Tafel und dem Abzug der kaiserlichen Truppen aus dem Fürstentum Blankenburg während der Zeit des Siebenjährigen Krieges nahe. Für Walkenried war insbesondere dieses Kriegsjahr mit großen Entbehrungen verbunden, da der kaiserliche Generalmajor Baron von Riedt 10.000 Taler Kontribution vom Stiftsamt Walkenried einforderte und mehrfach Plünderungen durch kaiserliche Truppen in den Stiftsdörfern gestattete, zudem wurden der Walkenrieder Oberamtmann Heyland sowie der Walkenrieder Arzt Spangenberg von kaiserlichen Truppen als Geiseln verschleppt. Die Tafel wurde wahrscheinlich zur Begrüßung der heimgekehrten Geiseln angefertigt.
Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch die Darstellung des römischen Gottes Janus auf der Tafel: Die Tore dieses vermutlich durch Kaiser Numa Pompilius (7. Jh. v. Chr.) erbauten Tempels standen zu Zeiten des römischen Kaiserreiches stets offen, solange Rom sich im Krieg befand. Die auch im Chronogramm erwähnte "Schließung der Januspforte" erfolgte nur zu Zeiten, in denen im gesamten römischen Reich Frieden herrschte.
Die Tafel wurde nach ihrer Entdeckung zunächst als Werk aus der Zeit der Walkenrieder Klosterschule um 1590 eingeordnet, was sich jedoch nicht mit der verschlüsselten Jahreszahl in Einklang bringen lässt. Von wem die Tafel angefertigt wurde, wo sie ursprünglich angebracht war und wie sie in die Försterei gelangte, konnte bis heute nicht abschließend geklärt werden.
Bei der ersten hier gezeigten Abbildung handelt es sich um eine retuschierte Fotografie, die zweite Abbildung ist unbearbeitet.