Zur Werkgruppe "Jahrmarkt“
Den Jahrmarkt auf dem Rossplatz in Halle hat Gerda Leo mehrfach fotografiert: Insgesamt 15 verschiedene Motive finden sich in der fotografischen Sammlung des Kunstmuseums Moritzburg Halle (Saale). Den zwei Aufnahmen aus der Ferne 1929 steht im März 1931 eine kleine Serie gegenüber. Der Jahrmarkt war ein in der Fotografie der Zeit beliebtes Thema. Auch von Hans Finsler und anderen Schülern der Fotoklasse an der Burg Giebichenstein in Halle gibt es Nachweise zu diesem Sujet.
Mit den Mitteln des "Neuen Sehens“ löste Gerda Leo Details, Situation und Strukturen aus ihrem Kontext und erfasste dabei das ganz Spezifische der einzelnen Gegenstände. Bildausschnitt, Perspektive, das Spiel von Gegensätzen wie Licht und Schatten oder das leichte Kippen aus der Bildachse dienten ihr als gestalterische Mittel. Gelegentlich untermauert der Titel ihre Absichten. Interessanterweise ruft Gerda Leo mit ihren Kompositionen, die oftmals eher andeuten als explizit zeigen, die eigenen Kindheitserinnerungen an den Jahrmarkt wach: Das Kitzeln im Bauch beim Karussell- oder Achterbahnfahren, das leckere Essen, die vielen bunten Lichter und vor allem das Leuchten in den Augen.
Zum Motiv “Die Achterbahn fällt“
Vier Männer arbeiten als schwarze Silhouetten waghalsig auf dem Gerüst der Achterbahn, um diese zu demontieren. Dem scheinbaren Gewirr aus notwendigen Seilen steht als Kontrastprogramm die starre Balkenarchitektur der Achterbahn zur Seite. Den Blick von unten nach oben, der nur den Himmel als Kulisse zulässt, hatte bereits Hans Finsler in der Fotografie "Achterbahn“ von 1929 angewendet. Das Gefühl der Schnelle, des Fliegens findet auf diese Art den adäquaten Ausdruck. Selbst wenn Gerda Leo den Moment des Abbaus festhielt, ruft das Foto doch die Kindheitserinnerungen an das Kitzeln im Bauch beim Achterbahnfahren wach.
Schenkung Gerda d'Oliveira-Leo, Amsterdam