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Alabaster-Kalvarienberg

Kulturstiftung Sachsen-Anhalt - Domschatz und Dom St. Stephanus und St. Sixtus zu Halberstadt Gemälde und Skulpturen [DS381 und DS-GastDS381]
Alabaster-Kalvarienberg (Kulturstiftung Sachsen-Anhalt CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Kulturstiftung Sachsen-Anhalt / Bertram Kober/Punctum (CC BY-NC-SA)
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Beschreibung

Der Alabaster-Kalvarienberg des Domschatzes Halberstadt gilt als „ein Hauptwerk deutscher Alabasterskulptur der Spätgotik“ (Jopek / Roller, in: Würfelnde Kriegsknechte 2010, S. 112). Außer dem Kreuzigungsaltar aus Rimini im Liebighaus in Frankfurt ist er das einzig vollständig erhaltene Beispiel einer vielfach bezeugten Altargestaltung mit Alabasterfiguren des 15. Jahrhunderts (Jopek / Roller, in: Würfelnde Kriegsknechte 2010, S. 64). Gerade in Halberstadt blieben mehrere weitere Alabasterskulpturen erhalten, so dass der Kalvarienberg zugleich ein anschauliches Zeugnis für einen Schwerpunkt der Alabasterskulptur gerade in dieser Bischofsstadt gibt.
Die vielfigurige Kreuzigungsszene aus weißem Alabaster erhebt sich frei und ohne Hintergrund über einem hölzernen Boden, der als Felsenberg gestaltet ist. Trotz der Figurendichte ist das Ensemble klar in acht Einzelfiguren bzw. Gruppen gegliedert mit einem großen, zentralen Kreuz Christi, und zwei deutlich niedrigeren T-förmigen Kreuzen der Schächer. Zwischen den Kreuzen trauern die Mutter Gottes und der Jünger Johannes als isolierte, aufrechte Einzelfiguren. Sie stehen auf dunkelgrünen Felsen, welche Schädel, Unterkiefer und Knochen als die Schädelstätte Golgatha kennzeichnen.
Ganz unten, vor und in die Felsen eingesetzt und im Maßstab kleiner, folgen drei dicht gedrängte Figurengruppen mit links und rechts Reitern, in der Mitte, direkt unter dem Kreuz Christi, sieben Männer an einem Tisch. Es sind die Schergen, die wild gestikulierend und teils miteinander raufend um das Gewand Christi würfeln. Mit ihren fast bestialisch anmutenden fratzenhaften Gesichtern und ihren rohen Gebärden verkörpern sie das Böse im Gegensatz zum darüber siegenden Guten in Christus. Links unter dem Kreuz des guten Schächers nähern sich zwei Reiter und zwei Männer zu Fuß. Auf dem vorderen Pferd sitzt Longinus, der sich ans Auge fasst. Der orientalisch gekleidete Mann im Hintergrund hatte mit der Lanze (die heute fehlt) Christus in die Seite gestochen. Das Blut, das auf das Auge Longinus‘ spritzt, macht ihn wieder sehend und bezeugt die – noch im Sterben geltende – Wunderwirkung Jesu. Auf der linken Seite reiten der Gute Hauptmann und der Hohepriester, der hier durch eine Mitra als ‚Judenbischof‘ gekennzeichnet ist, zwischen drei Soldaten. Der Hauptmann wendet sich dabei im Gespräch an den Hohepriester und weist mit der Hand auf den Gekreuzigten. Es ist die Szene, in der er Christus als wahren Sohn Gottes erkennt.
Stilistisch reiht sich die Gestaltungsweise der Figuren in eine Reihe weiterer erhaltener Alabasterskulpturen, so einem Diakon – wohl Stephanus – im Domschatz selbst (dem seit dem Zweiten Weltkrieg der Kopf fehlt, Domschatz Halberstadt, Inv.-Nr. DS445), einer Madonna sowie einem Relief mit der Anbetung der Hl. Drei Könige aus der Stiftskirche Unserer Lieben Frauen, heute in der Andreaskirche, Halberstadt, einem Schmerzensmann und einer Figur des Hl. Mauritius im Dom zu Magdeburg, einem Relief mit dem drachentötenden Michael in der Erfurter Severikirche und einer Heiligenfigur in der Pfarrkirche Bikenriede, Thüringen. Die Gestaltung der Figuren, ihre Gesichtsmodellierung und Gewanddarstellungen sind dabei so nah verwandt, dass von einem Werkstattzusammenhang auszugehen ist. Zwei der genannten Figuren sind 1467 (Mauritius, Magdeburger Dom, und Michaelsrelief, Erfurter Severikirche) datiert, weshalb der Kalvarienberg bislang ebenfalls um 1460 eingeordnet wurde. Doch haben Norbert Jopek und Stefan Koller überzeugend für eine frühere Datierung argumentiert: Einmal spricht dafür die dargestellte Kleidung, besonders die Rüstung des Guten Hauptmanns, die nach der Entwicklungsgeschichte der Rüstungen etwa in die 1430er Jahre gehört. Da das gute Personal der Bildgeschichten in aktuellen Moden gekleidet wurde – im Gegensatz zu den negativen Figuren, die bewusst, um ihre Vernachlässigung, Ungepflegtheit und Verkommenheit zu charakterisieren, veraltete Kleidung tragen –, weist dies auf eine frühere Datierung. Zum Zweiten verrät u. a. die Gewandbildung aus langen, weichen Faltenschwüngen und fließenden, welligen Säumen noch die Nähe zum Schönen Stil des Jahrhundertanfangs (Jopek / Roller, in: Würfelnde Kriegsknechte 2010, S. 91, 95). Daher plädieren die genannten Autoren für eine Tätigkeit der Bildhauerwerkstatt von über 20 Jahren, die im Halberstädter Alabaster-Kalvarienberg ihren Anfang nahm. Er wird in die 1440er Jahre oder um 1450 zu datieren sein.
Der Alabaster-Kalvarienberg stammt vom Kreuzaltar aus der Vierung des Halberstädter Doms. Die Tradition eines Kreuzaltars als Laienaltar vor den Chorschranken geht bis ins 9. Jahrhundert zurück. Die Halberstädter Chronik aus dem 13. bezeugt darin namentlich Reliquien, nämlich „ein Stück vom Kreuzesholz, die Reliquien des hl. Georg und anderer Heiliger“ (Schubert 1984, S. 16). Als 1442 der Neubau der Vierung begann, wurden die westlichen Vierungspfeiler des alten Domes und mit diesen der Kreuzaltar, der vor den Chorschranken an dieser Stelle stand, abgebrochen. Für einen neuen Kreuzaltar überliefern Quellen Stiftungen zwischen 1442 und 1462 mit Vikarien und Altargeräten. Er stand nun wiederum vor der Wand der westlichen Chorschranke mit Ambo und zwischen den Durchgängen zum hohen Chor, direkt unter der mächtigen romanischen Triumphkreuzgruppe. 1510 wurde dieser Kanzellettner zum heutigen Hallenlettner umgestaltet und überfing den Kreuzaltar mit dem Alabaster-Kalvarienberg, trennte zugleich den direkten optischen Bezug Kalvarienberg und Triumphkreuzgruppe (Richter, in: Würfelnde Kriegsknechte 2010, S. 16-37).
Von dort platzierte man ihn 1630 in die Mitte der Kirche mit frühbarocker Neugestaltung, in der er eine architektonisch gestaltete Retabelrückwand erhielt. 1863 erfuhr die Altarmensa eine weitere Umstellung sechs Meter nach Osten, da das Kirchengestühl bis zur Vierung reichte. Der Alabaster-Kalvarienberg allerdings kam bei dieser Gelegenheit in den oberen Kapitelsaal, wo er auch heute steht.
Bei der Auslagerung des Domschatzes im Zweiten Weltkrieg ging das Mittelstück mit den würfelnden Kriegsknechten verloren. 2000 tauchte es in einer Auktion im Kölner Kunsthandel wieder auf, konnte aber für Halberstadt gerichtlich nicht zurückgewonnen werden. Nach jahrelangen Verhandlungen mit dem nunmehrigen Besitzer in den USA wurde er mit Hilfe der Kulturstiftung der Länder, des Landes und der Stiftung Dome und Schlösser (Kulturstiftung Sachsen-Anhalt) wieder zurückgekauft.

Material/Technik

Alabaster, teilvergoldet, teilgefasst, Sockel: Laubholz, polychrom gefasst mit Temperafarbe, Blattmetalle: Zwischgold, Silber

Maße

223 x 155 x 35 cm

Literatur

  • Bednarz, Ute; Findeisen, Peter; Janke, Petra; Krause, Hans-Joachim; Pregla, Barbara (2009): Kostbarkeiten aus dem Domschatz zu Halberstadt. Wettin-Löbejün OT Dößel, 172-173
  • Elis, Carl (1857): Der Dom zu Halberstadt. Historisch-archäologische Bechreibung. Halberstadt, 95-96
  • Kulturstiftung der Länder et. al. (Hg.) (2010): "Würfelnde Kriegsknechte" aus dem Alabaster-Kalvarienberg. Dom und Domschatz Halberstadt. Berlin
  • Meller, Harald / Mundt, Ingo / Schmuhl, Boje E. Hans (Hrsg.) (2008): Ein heilbringender Schatz. Die Reliquienverehrung am Halberstädter Dom im Mittelalter. Regensburg, 350-353
  • Niemann, Franz (1824): Die Stadt Halberstadt und die Umgegend derselben. Versuch eines topographischen Handbuchs für Einheimische und Reisende. Halberstadt, 23
  • Schubert, Ernst (1984): Der Dom zu Halberstadt bis zum gotischen Neubau. Regensburg, 21
Kulturstiftung Sachsen-Anhalt - Domschatz und Dom St. Stephanus und St. Sixtus zu Halberstadt

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