Zur Werkgruppe “Menschen“
Eine umfangreiche Gruppe in Gerda Leos Werk bilden fotografische Porträts. In ihren freien Fotografien experimentierte sie auch über konventionelle Sehgewohnheiten hinaus. Die Bildnisse ihrer Familie, aus dem Freundeskreis oder im Umfeld ihres Studiums an der “Burg“ reichen von en face-Darstellungen bis hin zum verlorenen Profil und zeigen Situationen oder Inszenierungen, in Innen- oder Außenaufnahmen. Einige stilistische und kompositorische Mittel finden sich immer wieder: Tageslicht fällt meist als starkes Seitenlicht auf die Gesichter, so dass, vor allem bei en face-Darstellungen, eine Gesichtshälfte im Dunkel bleibt. Zudem sind die Portraitierten häufig knapp ins Format gesetzt, bis hin zum Anschnitt, oft vor nicht näher definierbarem, hellen oder dunklen Hintergrund. Diese Elemente ihrer Bildsprache finden sich schließlich auch in anderen Sujets wieder, etwa bei Pflanzen- oder Sachaufnahmen. Gerda Leos Aussage: “Man nimmt nur auf, was schon in einem drin ist.“ wird hier visuell nachvollziehbar (zit. n. Staatliche Galerie Moritzburg (Hrsg.), Gerda Leo. Photographien 1926–1932, Leipzig 1994, S. 75).
Zum Motiv “Tüt Rohde in der Malklasse“
Werner 'Tüt' Rohde (1906–1990) besuchte von 1925–1927 an der "Burg“ die Malklasse von Erwin Hahs und im Sommersemester 1927 aus Interesse auch zusätzlich die Fotoklasse von Hans Finsler. Bereits bei Hahs lernten Leo und Rohde sich kennen und er wurde in der Folgezeit häufiger von ihr fotografiert. Diese Aufnahme zeigt den jungen Studenten in lässiger Pose sitzend vor einer Staffelei auf der ein Gemälde, ein Portrait eines jungen Malers, vielleicht sogar ein Selbstbildnis, steht. Im Hintergrund steht eine Kommilitonin mit Malerkittel. Alle drei Figuren halten gekonnt den Pinsel und weisen sich so als Maler aus. Leo hat mit dieser Fotografie ein Portrait mit Portrait im Portrait geschaffen.
Schenkung Gerda d'Oliveira-Leo, Amsterdam