Zur Werkgruppe "Studien- und Sachfotografie“
Einen großen Teil im fotografischen Schaffen von Gerda Leo nehmen die Studien- und Sachfotografien ein, die immer auch dem "Neuen Sehen“ verhaftet sind. Wohl arrangierte und präzise durchdachte Arrangements sind dabei von gefundenen Themen oder Aufgabenstellungen von ihrem Lehrer in der Fotoklasse an der "Burg“, Hans Finsler (1891–1972), zu unterscheiden. Finsler stellte den Schülern Aufgaben im Sinne von Anregungen: Eine Straße entlanggehen und Menschen mit der Kamera beobachten oder tätige, nach etwas greifende oder arbeitende Hände zu fotografieren. Das damit verbundene Ziel war es, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen, beweglich werden im Sehen wie im fotografischen Darstellen des Gesehenen.
Zum Motiv “Straßenbahn auf überschwemmtem Platz“
Der Regenguss 1931 muss ein heftiger gewesen sein, schließlich stand fast ein ganzer Platz unter Wasser, der nur schwerlich trocknete. Es scheint, dass Gerda Leo, aufgrund der Vogelperspektive, die Fotografie aus dem Fenster ihrer Wohnung aufgenommen hat. Die Unschärfe der Straßenbahn verrät, dass sie fährt. Just in dem Moment, der den Stromabnehmer kompositorisch in den Mittelpunkt rückt, drückte Leo den Auslöser. Zwischen dem Rhombenkörper des Stromabnehmers und den aufragenden Stelen auf dem Platz ergibt sich auf diese Art ein spannungsreiches Wechselspiel. Diesen klaren Formen treten die natürlich, fast chaotisch, fließenden Strukturen aus einem Gemisch von trocknendem Wasser und Kies gegenüber. Den Gegensatz zwischen Technik und Natur, zwischen organischen und anorganischen Strukturen visualisierte Leo in dieser Fotografie gekonnt.
Schenkung Gerda d'Oliveira-Leo, Amsterdam