Zur Werkgruppe “Landschaft“
Ein bevorzugtes Motiv von Gerda Leo waren Landschaften. Hier spielte sie verschiedene Varianten durch: Extreme Nahsichten mit starkem Anschnitt finden sich ebenso wie der weite Blick über Felder in die Ferne. Stimmungsvolle Aufnahmen zu einer bestimmten Tages- oder Jahreszeit und auch detailgefüllte Ausschnitte fanden ihren Fokus. Die Fotografin hatte einen besonderen Blick für die Natur. Die von ihr gefundenen grafischen Strukturen wie Verästelungen vor dem Himmel oder gezogene Furchen auf einem Feld ließ sie wie Zeichnungen auf der Landschaft erscheinen. Auch Oberflächenstrukturen maß sie einen wichtigen Wert bei, etwa bei Gesteinsformationen oder bei Wasserdarstellungen. Mittels der Ausschnittwahl, verschiedenen Schärfeebenen und der Betonung von Licht und Schatten konnte Gerda Leo elementare Eigenschaften, das sogenannte 'Wesen der Dinge‘ hervorheben oder spielerisch die visuellen Möglichkeiten des fotografischen Bildes ausloten - ein erklärtes Ziel des "Neuen Sehens“.
Zum Motiv “Haselnusssträucher, Fölsches Garten“
Der Kunsthistoriker T.O. Immisch schrieb zu dieser frühen Fotografie von Gerda Leo: "Gleich mit der ersten Aufnahme, die ihr gelang, schlägt Gerda Leo ihr wichtigstes Thema an: Natur – als Landschaft, als Pflanzenaufnahme, als Bild des Wachsens und Werdens. Dies alles ist schon erfasst im Bild der 'Haselnußsträucher, Fölsches Garten‘, aufgenommen im Garten der Großeltern in der Hagenstraße. Und es findet sich darin die Unbefangenheit des Blicks, der nicht getrübt ist von Konventionen und es wenig später der Photographin Leo so leicht machen wird, sich das Vokabular des 'Neuen Sehens‘ der 'Neuen Fotografie‘ anzueignen.“ [in: Staatliche Galerie Moritzburg Halle (Hrsg.), Gerda Leo. Photographien 1926–1932, Leipzig 1994, S. 35]. Vier gestalterische Elemente, die Gerda Leo in der Folge häufiger anwandte, scheinen besonders relevant. So wählte die Fotografin den Bildausschnitt genauestens, zum Teil mit starken Anschnitten, aus. Hier trifft das auf den schneebedeckten Strauch im Bildvordergrund und auch den Baum zu. Zudem verzichtete sie in Landschaftsaufnahmen gerne auf die klassische Einteilung von Vorder-, Mittel- und Hintergrund. In dieser Aufnahme gelang ihr das durch eine Perspektive unterhalb der klassischen Sehgewohnheiten, die den Blick über das Geländer verwehrt und damit den Mittelgrund ausschließt. Die asymmetrische Komposition und die bildrandparallele Position des rechten, vorderen Strauchs mit dem hinteren Baum stellen die weiteren zwei gestalterischen Besonderheiten dar.
Schenkung Gerda d'Oliveira-Leo, Amsterdam