Ein alter Mann scherzt mit jungen Mädchen – nanu? Sie winken ab, er sei zu alt. Er dagegen: Eben deshalb umso mehr! In der Hand hält er einen Weinkelch, neben sich hat er eine Leier. Es ist Anakreon, der griechische Lyriker, der Dichter des Weins, der Liebe und der Lebensfreude, das Urbild des scherzhaften Dichters. Seit dem 16. Jahrhundert hatten Anakreon und seine Dichtung verschiedentlich Konjunkturen in der Literaturgeschichte. Mitte des 18. Jahrhunderts kam eine veritable Mode auf, nicht zuletzt durch die frühen Dichtungen Gleims und seiner Halleschen Kommilitonen Johann Peter Uz und Johann Nikolaus Götz. ..Gleim und die übrigen Anakreontiker waren zu dieser Zeit gerade einmal Mitte 20. Diese literarische Mode hatte Züge einer Jugendbewegung, Nicht nur waren die Dichter jung, außerdem eignete sich das Programm ‚Lebensgenuss‘ hervorragend zur Provokation des Establishments...Das Bild Anakreons dagegen ist in der Regel das eines alten Mannes, als welchen er selbst sich auch in seiner Dichtung stilisiert. Er verkörpert damit die Flüchtigkeit der Jugend und verleiht der Mahnung, Freuden nicht zu versäumen, Dringlichkeit...In der Literatur machte Anakreon also Mode; in der Malerei, zumindest in der deutschen Malerei, wurde er nur vereinzelt dargestellt. Neben einigen Radierungen des Berliners Christian Bernhard Rode waren an Gemälden bislang lediglich diejenigen von Anna Dorothea Therbusch und Johann Heinrich Tischbein dem älteren, dem sogenannten ‚Kassler Tischbein‘ bekannt. Das neu erworbene Gemälde von Johann Anton, dem ‚Hamburger Tischbein‘ steht demjenigen seines Bruders Johann Heinrich motivisch verblüffend nah, wenn es ihm auch in dessen malerischer Brillanz nicht vergleichbar ist. Seinem Format nach dürfte es als Supraporte entstanden sein. Es handelt sich um die Illustration der XI. Ode Anakreons „Von sich selbst“:..Es sagen mir die Mädgen:..Anakreon, du alterst...Besieh dich nur im Spiegel,..Wie sich dein Haar verlohren,..